Photo: Otto FlückigerWilly Vaterlaus

Mein Anfang

Ich wurde am 17. März 1922 in Aeschi bei Spiez geboren, wo ich auch zur Schule ging. Meine Eltern führten ein Sanitär-Installationsgeschäft. In Thun erlernte ich den Beruf eines Instrumentenmachers. Nebenbei begann ich auch, in einem Amateurorchester mitzuspielen. Eines Tages telefonierte mir unser Pianist, ich solle mitkommen, um Teddy Stauffer anzuhören. Wir gingen zusammen ins "Bellevue", sassen als junge "Giele" scheu am Tisch und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Wir fanden, der Orchesterchef sähe ja gar nicht so aus wie Teddy Stauffer. Es sei Eddie Brunner, klärte man uns schliesslich auf. Jedenfalls sind wir ab abends 9 bis morgens um 3 Uhr dortgesessen und waren hell begeistert!

Durch meine Kollegen im Amateurorchester konnte ich allmählich die guten Schweizer Orchester kennenlernen, so auch die Lanigiro, die ich 1940 oder 1941 im "Kursaal", und Bob Engel im "Casino" in Bern gesehen und gehört habe.

Alice Stucky

Novelties Sunny Band hiess eines der Orchester, mit welchen ich in Bern zu spielen begann. Es wurde von einer Dame, Alice Stucky, geleitet. Jo Grandjean hatte ihr früher einmal Saxophonstunden gegeben. Ich trat dieser Band aber erst zu einem späteren Zeitpunkt bei. Alice Stucky spielte bei Konzertmusik am Schlagzeug, sonst hauptsächlich auf dem Saxophon. Sie hatten auch eine Pianistin sowie einen fantastischen Geiger aus Neuchâtel namens Chapuis in der Band. Er gab mir einige Geigenstunden. Er war damals bereits ein alter Mann.

Zuerst hörte ich die Band im Hotel Bluemlisalp, sie spielte im Garten, unter den Bäumen. Später trat sie im "Sternen" und hinterher im "Niesen", also an zwei verschiedenen Orten im Tag, auf!

All dies begeisterte mich, selber Musik zu machen. Ich konnte auf der Klarinette bereits Ländler und auch anderes spielen. Alice Stucky hörte mich im Baumgarten, wo unsere Werkstatt war, auf der Klarinette üben. Sie kam vorbei und fragte, wer denn da spiele. Dann fragte sie mich, ob ich nicht auch ein Saxophon haben möchte, sie habe nämlich eins zu verkaufen. Der Kauf kam zustande.

Ich übte auf dem neuen Instrument wie ein Verrückter. Bald darauf konnte ich mit Alice Stucky im "Beau Rivage" auftreten. Werner Minig war auch dabei. Damals arbeitete er im Bundeshaus, heute ist er Musiklehrer in Zürich.

Ich kam auf der Trompete rasch vorwärts und besuchte daraufhin die Musikakademie in Zürich. Allmählich ging mir jedoch das Geld aus. Glücklicherweise bekam ich dann eine Offerte von Teddy Weber.

Teddy Weber

Mit Weber spielte ich ab November 1941 bis im Januar 1942 im "Kursaal" in Zürich. Mit dabei waren der Trompeter und Pianist Hans Van Bergen, ein unerhörter Jazzmusiker, aber ewiger Jurastudent. Am Schlagzeug sass "Marek" Weber. Weber hatte eine Garage in Zürich; man nannte ihn Marek, weil zuvor der berühmte und "echte" Marek Weber in Zürich gespielt hatte. Guido Cova war unser Bassist. Die Pianisten wechselten häufig, weil der eigentliche Hauptpianist beruflich als Vertreter arbeitete. Übrigens war auch Nelly Böhler für ein oder zwei Tage mit uns. Auch die Orchesterbesetzung wechselte oft, manchmal waren wir drei Trompeter und ein Saxophonist und die Band tönte dann recht gut. Auch der Pianist Pauli Schär spielte mit Teddy Weber, allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt.

Weber war ein etwas seltsamer Typ. Er spielte recht schön, swingte auf der Klarinette und dem Tenorsax "wie‘ne Mohre", er versuchte aber immer, mit Tricks Geld zu machen. Pro Tag offerierte er mir 18 Franken, "aber es könnte auch weniger sein", meinte er, denn er habe sein Geschäft im "Kursaal" auf eigene Rechnung abgeschlossen und die Einkünfte seien nicht gesichert ...

Im oberen Stockwerk des "Kursaals" war ein Dancing. Hier trat ein erfolgreiches Duo auf, der Saal war oft bumsvoll. Wir spielten hingegen unten, in einem kleineren Saal. wo auch Teddy Stauffer nach der Landesausstellung aufgetreten ist. Hier war etwas weniger Betrieb als oben. "Wenn nicht viel Geld herausschaut, kann ich auch nicht viel bezahlen", meinte Teddy Weber zu mir. Und so war es auch. Da ich der jüngste unter den Musikern war, bekam ich von allen am wenigsten!

Jahre später verdiente Teddy Weber - der auch ein talentierter Maler war - seinen Lebensunterhalt in Monte Carlo mit Malerei und mit Glücksspielen. Er hatte angeblich ein taugliches System entwickelt, mit welchem er beim Glückspiel täglich etwa 50 bis 60 Franken abheben konnte!

Von ihm bekam ich das Angebot, ab 1. Februar 1942 im "Astoria" in Basel als erster Trompeter mitzuwirken. Dummerweise fragte ich Weber nach dessen Meinung, aber dieser wollte mir bloss Angst einflössen: "Ob ich denn Sachen wie "1812" von Tschaikowsky und weitere Konzertstücke beherrsche, er selbst kenne die Ansprüche bei C.V. Mens, schliesslich hätte er auch bei Mens gespielt" meinte er. Natürlich kannte ich all das Zeug nicht richtig, und ich dachte schon, ich müsste das Angebot ausschlagen. Da war aber ein Herr Zweigler vom Musikhaus Hüni in Zürich, und der sagte, ich solle nicht auf Weber hören, sondern die Chance ergreifen!

Dann absolvierte ich in einem Säli des Musikhauses in Zürich das Probespiel. Mens engagierte mich und sagte, ich hätte jederzeit das Recht, bei Teddy Weber zu gehen, weil er nicht bezahle, was er versprochen habe. Mens offerierte mir gute 600 Franken im Monat, und dies im Kriegsjahr 1942! Dies war somit mein erstes professionelles Engagement, wo ich durchgehend eine Gage bekam. Bei Mens blieb ich bis zu meiner Einberufung in die Rekrutenschule.

Rekrutenschule

Die RS machte ich im Sommer 1942. Ich hatte Glück, ich wurde dem Militärspiel zugeteilt. Meine beiden älteren Brüder kamen ebenfalls zum Militärspiel als Zuzüger; wir konnten sogar im Kantonnement nebeneinander schlafen. Der eine Bruder war Hornist, der andere Schlagzeuger. Das ganze hatte sich zufällig so ergeben. Nach der Rekrutenschule ging ich zu James Kok:

James Kok

Wir spielten in Fribourg, Lausanne, La-Chaux-de-Fonds und in Zürich. James Kok war ein Rumäne. Bei ihm war auch Ladislav (?), der später noch für längere Zeit in der Terrasse-Bar in Zürich auftrat. Unser Pianist war Hans Billeter. Felix Brade Sr. - der Vater des Saxophonisten Felix Brade Jr., der zur Zeit, als als wir im "Metropole" in Lausanne spielten,.im "Casino de Montbenon" mit Mac Strittmatter auftrat - spielte Schlagzeug. Wir hatten alle zusammen, Vater und Sohn Brade und ich, in derselben Pension gegessen.

Ich war noch immer bei Kok im "Kongresshaus", Zürich, als wir eine zweiwöchige Orchesterpause einlegten. Da erreichte mich eine telefonische Anfrage, ob ich bei René Schmassmann einen Trompeter ersetzen könne, der seine Lippen kaputt gemacht habe und nicht mehr spielen könne. Heinrich Kobi hiess er, Ich kannte ihn bereits von der Rekrutenschule her und sagte zu.

Rene Schmassmann

So begann ich am 1. Januar 1944 im "Kursaal", Arosa, bei Rene Schmassmann. Bald hiess es, ich solle unbedingt im Orchester verbleiben, was ich insgeheim auch gerne getan hätte. Doch dann gab es ein "Gschtürm" beim SFM. Herr Mischeli schrieb mir einen Brief, er werde mich verantwortlich machen, falls das James-Kok-Orchester ohne Trompeter nicht mehr auftreten könne! Da schauten wir uns nach einem Ersatz um und fanden einen Trompeter aus Zürich, den ich bereits kannte. Er war bereit, mich vorübergehend bei Kok zu vertreten.

Schmassmanns Orchester machte Konzertmusik und auch schöne Tanzmusik à la Glenn Miller. Im Herbst 1944 spielten wir im Kursaal in Bern; im Kongresshaus in Zürich; und im "Grand Chàne" in Lausanne.

James Kok

Anschliessend kehrte ich wieder zurück zu James Kok im "Restaurant du Theâtre" in Neuenburg. Daraufhin spielten wir für eine Woche im "Baslerstab", in Basel. Dann konnte James Kok den Trompeter Lou Andrini engagieren, der eben aus der Rekrutenschule entlassen worden war. Ich kam dadurch frei und ging nach Arosa zurück, um mich wieder dem Orchester von

Rene Schmassmann

anzuschliessen und ...um Ski zu fahren! Ich blieb anschliessend auch den Sommer hindurch bei Schmassmann, dann kündigte ich jedoch, weil ich in ein reines Tanzorchester eintreten wollte. Leider klappte dies nicht, und so landete ich erneut bei

C.V Mens

Bei Mens spielte ich aber nicht sehr lange, denn ich bekam ein Angebot mit:

Max Oberlé

im "Maxim", Genf, aufzutreten. Dies war im Jahr 1946. Mit Oberlé spielte ich in der Folge auch in der "Taverna", Ascona, und im "Cecil" in Lugano.

Pianist war (?) Schmauch, ein Genfer, ihm wurde gekündigt, weil Pauli Schär frei wurde und nach Ablauf der Kündigungsfrist in der "Regina" in Basel zu uns stiess. Dies war das erste Mal, dass ich mit Oberlé im "Regina" auftrat.

Im Oktober 1946 suchte der Orchesterchef Bruno Bandini einen Pianisten für die Wintersaison der Lanigiro im "Palace" in St. Moritz. Er gelangte an Pauli Schär. Da Bandini zugleich auch einen Trompeter gebrauchen konnte, empfahl Schär mich.

Max Oberlé hatte zu jenem Zeitpunkt keine weiteren Engagements in Aussicht, so sagten wir beide kurzerhand zu. Oberlé wurde ziemlich "verrückt", was verständlich war, denn unser Weggang machte ihm zu schaffen. Er bekam dann noch ein Engagement in Adelboden, an meiner Stelle engagierte er Otto Horak.(Oberlé war übrigens ein unerhört guter Skifahrer, er konnte manchem Skilehrern etwas vormachen. Das Skifahren hatte er auch mir beigebracht. Trotz seines Könnens hat er in jener Saison ein Bein gebrochen ...)

Lanigiro

Willy Vaterlaus spielte mit den Lanigiro in der Wintersaison 46/47 in St. Moritz und anschliessend für zwei oder drei Monate in Basel

Hazy Osterwald

Im Juni 1947 kam ich zu Hazy Osterwald und blieb dort bis zur Auflösung des Orchesters im Frühjahr 1949.

Bob Huber

Nach unserer Rückkehr aus Spanien mit dem ehemaligen Hazy-Osterwald-Orchester war ich einen Monat arbeitslos. Ich hatte inzwischen Kontakte zu verschiedenen Personen aufgenommen und wurde einen Monat später für die ganze Sommersaison 1949 zu Bob Huber ins "Casino" in Genf engagiert. Mit dabei waren auch Henry Alder und Hank Martin - wir waren somit drei Musiker aus dem aufgelösten Hazy-Osterwald-Orchester. Bob Huber spielte Saxophon und Klarinette; dabei war noch ein Franzose (ich habe seinen Namen vergessen). Wir waren insgesamt fünf Bläser und drei Rhythmiker. An die Namen der restlichen Musiker kann ich mich nicht mehr erinnern. Dieses Engagement dauerte bis September 1949.

Max Oberlé

Danach hätte ich in den Militärdienst einrücken sollen. Doch Herr Misteli vom SFM berichtete mir, ich könne bei Max Oberlé anfangen, wo ich bereits früher (erstmals 1946 im "???" in Genf und im "Old India" in Lausanne, dies bevor ich bei den Lanigiro mitgespielt hatte). Ich sagte: "Herr Misteli, ich kann nicht, ich muss ja in den Dienst einrücken!" Er meinte daraufhin: "Dies spielt überhaupt keine Rolle, Sie gehen auf alle Fälle zu Max Oberlé nach Basel ins "Regina", wir machen ein Gesuch und die Sache klappt!" Was ja dann auch der Fall war.

Dies war im Oktober 1949. Oberlé spielte Saxophon; der Pianist wechselte fast jeden Monat. Wir waren etwa neun Monate im "Regina" in Basel, dann gingen wir ins "Palace" nach Luzern. Dann gab Oberlé sein Orchester auf und zog sich vorübergend vom Musikerberuf zurück.

Jean Rings

1950 bis 1960 arbeitete ich in Genf bei Jean Rings. Als ich zu ihm kam, hatte seine Band ein vorwiegend südamerikanisches Repertoire - das Südamerikanische kam damals auf, "Armando Oreficell and his Cuban Boys" waren auf einer Tournee durch die Schweiz, und dies rief bei uns eine Latinwelle hervor; Der Cha-Cha-Cha" war ganz gross im Kommen. Rings hatte eine sehr gute Band, die insbesondere bei den Latinnummern "fätzte". Rings spielte dabei Bongos, und Poly Guggisberg sass am Schlagzeug. Dabei war auch ein holländischer Pianist - Anton Nicodem - sowie Jacques Sherman, ein ganz "bäumiger" Sänger, der auch gut präsentierte.

Wir haben auch viel Societymusic gespielt, meist bis zur Pause, bis unser französische Trompeter loslegte. Rings selbst spielte Tenorsax, er war aber kein eigentlicher Improvisator. In der Band amtierte ich als 2. Trompeter. Bei Jean Rings war damals auch ein Franzose namens Lucien Roman dabei, ein "Wahnsinnstrompeter". Ich hatte noch nie mit einem Trompeter zusammengearbeitet, der so gut war wie dieser ! Aber nach zwei Jahren wollte er wieder heim nach Marseille; er ging dann als erster Trompeter und Solist zu Jacques Hélian. Roman hatte bereits ein gewisses Alter - er war viel älter als ich - er spielte später nur noch in Marseille.

"Gasul" Bouchs war als Trompeter vor meiner Zeit bei Rings, Ich kannte ihn nicht sehr gut.

Wir spielten hauptsächlich in Genf, in Lausanne und im Kursaal in Luzern. Zehn Jahre lang. Stets hiess es: "Maxim", Genf; "Metropole" oder "Tabasin" in Lausanne; und jeden Sommer wieder "Kursaal", Luzern und so weiter.

Wir spielten auch im "Palais d'Hiver" in Genf, der später in "Palladium" umbenannt wurde. Ich war bei der Namensänderung mit dabei.

Lucien Roman

Übrigens hörte ich von Lucien Roman nochmals, als ich vor 15 Jahren als Stehgeiger im "Casino" Montreux auftrat. Wir waren drei, vier oder fünf Musiker, die Formation änderte sich stets. Wir spielten zum Aperitiv; im gleichen Saal hatte J. Helian ein Konzert gegeben. Da kam einer von Helians Musiker zu uns und ich erkundigte mich nach Lucien Roman. "Nein, der hat aufgehört, er spielt zwar noch in Marseille, aber nur noch als Amateur", sagte er zu mir. Nun, Roman hatte eben schon damals ein gewisses Alter gehabt, er war um einiges älter als ich.

Jo Grandjean

Ich erinnere mich, als ich mit James Kok im "Baslerstab" war, da war Jo Grandjean mit seinem Orchester im "Odeon". Auf der Tafel am Aushang war immer ein grosses gemaltes Bild des Bandleaders zu sehen. Das machte mir Eindruck, und ich bedauerte, nicht Mitglied in dessen Orchester zu sein, er sah im Bild aus wie Duke Ellington, oder wie sonst ein berühmter Jazzmusiker!

Später ging dann mein Wunsch in Erfüllung und ich erlebte die für mich schönste und musikalisch beste Zeit bei Jo Grandjean. Hier konnte ich auch als Solist hervortreten. Leider konnten wir damals keine Platten aufnehmen. Grandjean war ein freundlicher Mensch, die Kollegen waren nett.

Idealtrompeter

Mein Idealtrompeter war früher natürlich Harry James, dann auch Ray Anthony. Bei Dizzy Gillespie begann es mir "e chli abzustelle", das war jazzmässig zwar viel besser als Harry James, aber ich bin halt noch von jener Zeit als man auf "schön" und nicht auf höchst interessant, auf "wild" gemacht hat. Es hat mehr Musikalität gebraucht aber es war nicht mehr so schön zum Anhören.

In Genf war ein Konzert von Gillespie, Rings sagte, wir sollten unbedingt hingehen. Der französische Trompeter bei Rings, er hatte Dizzy Gillespie mit der Bigband schon einmal zuvor in Marseille gehört, war enttäuscht bei diesem Konzert, vom technischen Standpunkt her gesehen. Bei den klassischen Musikern war Harry James akzeptiert, Gillespie und Armstrong aber nicht. Die Leute verstanden den Jazz natürlich nicht und sahen nur das Negative. Beim Jazz gelten eben andere Gesetze. Ein grosser Könner ist natürlich Wynton Marsalis,der ist ein hundertprozentiger Trompeter.

Interview vom 1. April, 1997 in Aeschi b.Spiez, Restaurant Sagi
Interview und Transkription: Otto und Trudi Flückiger.
Redaktionelle Bearbeitung: Armin Büttner und Ewald Kaeser

Der 2. Teil der Transkription bedarf einer weiteren Überarbeitung und wird zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.

(1) (2) Die Aussagen über die Lanigiros und über Hazy Osterwald behalten wir uns zur separaten Publikation vor.


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